Montag, 23. März 2009

Hopo-Länderspiegel: Dauerbrenner Marx-Uni (Süddeutsche Zeitung)

In Trier will der AStA die Universität umbenennen. In Karl-Marx-Universität. Darüber ist nun ein bizarrer Streit entbrannt. Unter Beteiligung der Jungen Union und des Unipräsidenten.

In Raum B15 an der Universität Trier, einem fensterlosen, mit Regalen und Tischen zugestellten Kabuff, kann man ein Stück Sozialismus kaufen, oder wenigstens das Symbol dafür: Karl Marx, 1818 geboren in Trier. Es gibt T-Shirts, Jutebeutel und Kaffeetassen mit seinem Konterfei und dem Schriftzug "Karl Marx Universität Trier". Sie verkaufen sich gut, nicht wenige Studenten laufen mit Karl-Marx-Shirts über den Campus, für Austauschstudenten aus dem Ausland sind die Devotionalien ein schönes Souvenir.

Nur gibt es ein Problem: Die Hochschule in Trier heißt gar nicht Karl-Marx-Universität, sondern firmiert unter der schlichten Bezeichnung Universität Trier. Trotzdem verwenden der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) und einige linke Gruppen im Uni-Parlament seit einiger Zeit den Namen des Philosophen, auf Plakaten, Briefköpfen und in ihrem Internetauftritt. Im Dezember 2008 beschloss eine Mehrheit im Studierendenparlament (Stupa), künftig nur noch den Namen "Karl-Marx-Universität" zu führen.

Darüber ist nun in den vergangenen Wochen ein bizarrer Streit entbrannt: Die Junge Union hatte sich in einem Brief an den AStA und an Uni-Präsident Peter Schwenkmezger gewandt. Es sei "inakzeptabel, dass sowohl die Öffentlichkeit und schlimmstenfalls zukünftige Arbeitgeber annehmen müssen, an der Universität Trier werde eine menschenverachtende Diktatur glorifiziert". Die Reaktion des AStA folgte in einem fünfseitigen, mit Fußnoten versehenen Schreiben, in dem die "historische Figur Karl Marx als in seiner Wirkungsmächtigkeit bedeutendster Bürger der Stadt Trier" gewürdigt und die Anschuldigungen der Jungen Union "aufs Schärfste" zurückgewiesen werden.

Die Reaktion des Uni-Präsidenten fällt deutlich knapper aus: Er sehe "keinerlei Veranlassung", den Namen zu ändern. 95 Prozent aller Studenten seien ohnehin gegen eine Umbenennung, schätzt Schwenkmezger.

Der Beschluss des Studierendenparlaments ist rechtlich völlig bedeutungslos, denn um die Universität umzubenennen, müsste das Bildungsministerium in Abstimmung mit der Hochschulleitung eine Rechtsverordnung erlassen. Angesichts der sehr geringen Aussichten für eine "Karl-Marx-Universität" wirkt der Namensstreit wie eine Provinzposse: Die Marx-Merchandising-Artikel sorgen für ein bisschen links-alternative Folklore, und die Junge Union spielt einen Kulturkampf im Kleinen.

Indes tut sich Trier schon ein bisschen schwer mit dem berühmten Sohn: So heißt die Straße, in der das Geburtshaus des Philosophen steht, nicht durchgängig Karl-Marx-Straße, sondern nur im hinteren Abschnitt, wo Sexshops und Erotik-Kinos zu finden sind. Im vorderen, der Innenstadt zugewandten Teil heißt sie Brückenstraße, und Gerüchte sagen, dass um das Image der Stadt besorgte konservative Politiker diesen Namen einst durchgesetzt haben.


via Privacy Box, Link: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/950/462566/text/

Keine Kommentare: