Dienstag, 24. Februar 2009

1999: Eine Studentin als Vizepräsidentin? (HA 10.06.1999)

Elf Stimmen für Claudia Fiedler

Erstmals kandidierte eine Studentin für das Amt des zweiten Uni-Vize - doch das Rennen machte ein Verwaltungsmann.

Gleich drei Vorlesungen mußten abgesagt oder verlegt werden. Fast fünf Stunden dauerte gestern an der Hamburger Universität die Wahl des neuen, zweiten Vizepräsidenten - ein Vorgang, der in die Geschichte der Alma mater hätte eingehen können. Erstmals stand nämlich eine Studentin auf der Kandidatenliste. Die 30 Jahre alte Claudia Fiedler war von der Grünen Hochschulgruppe ins Rennen geschickt worden. Eine Änderung der Uni-Satzung durch den Akademischen Senat Ende vergangenen Jahres machte es möglich: Der zweite Stellvertreter von Uni-Präsident Jürgen Lüthje muß nicht mehr, wie sonst üblich, ein Professor sein. Der erste Vizepräsident ist Wilfried Hartmann, Professor am Fachbereich Erziehungswissenschaften.

Doch die Gegner der Lehramtsstudentin aus Eimsbüttel waren erfahrene Hochschulangehörige: Holger Fischer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Finnisch-Ugrischen Seminar, und Holger Weidner, der seit 1972 im Planungsstab der Hochschule arbeitet und dort an der Umsetzung des Sparprogrammes mitwirkt. Jede zweite Stelle, die frei wird, muß gestrichen werden. Weidner soll dafür sorgen, daß davon kein Fachbereich härter als andere getroffen wird.

Es sollte eine zähe Wahl werden, die für die Hoffnungsträgerin der Studierenden, Claudia Fiedler, schon im ersten Urnengang ein Ende hatte. Mit nur elf von 59 Stimmen schied sie aus. In einer denkbar knappen Stichwahl setzte sich Weidner gegen Fischer durch, verfehlte jedoch die Mehrheit. Erst im dritten Wahlgang bestätigten ihn 35 Mitglieder des Universitätskonzils als neuen Vizepräsidenten, 31 Stimmen benötigte er.

Weidner wurde für zwei Jahre gewählt, in dieser Zeit kann er durch seine Präsidiumsarbeit die Hochschule mitgestalten. Wieviel Entscheidungskompetenz er dabei haben wird, hängt allerdings vom Uni-Präsidenten Jürgen Lüthje ab. Er regelt laut neuer Satzung, welche Aufgaben der zweite Vize erfüllen darf.

"Ich werde mich dafür einsetzen, daß es keine Studiengebühren für die Erstausbildung gibt", sagte der 54 Jahre alte Diplom-Soziologe vor seiner Wahl und verwies auf seine Herkunft: "Ich bin in Rothenburgsort, Billwerder und Moorfleet aufgewachsen. Wer aus diesen Stadtteilen den Weg an die Uni schafft, macht einen großen Schritt." Und den wolle er niemandem durch Gebühren erschweren. Lediglich Aufbaustudiengänge könne er sich kostenpflichtig vorstellen.

Weidner, der in der Freizeit oft auf der Ostsee segelt, will die Autonomie der Universität durch eine stärkere Abkopplung von der Wissenschaftsbehörde vorantreiben - hier vor allem in Finanzfragen. "Reformen in diese Richtung dürfen als Ziel weder die Strukturen eines reinen Wirtschaftsbetriebes noch die einer Behörde haben." Als langjähriges GAL-Mitglied des Realo-Flügels werden ihm gute Kontakte zur Wissenschaftsbehörde nachgesagt. Die soll Weidner durch seine Arbeit im Planungsstab auch zu Uni-Präsident Lüthje haben. Ein stimmberechtigter Professor aus dem Konzil witzelte vor der Stichwahl: "Weidner ist das Abbild seines Herrn."

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