Wohin mit der Uni?
Von chinesischen Hochschullehrern und antifaschistischen Platten.
Mit großen A0-Plakaten warb die grüne Hochschulgruppe CampusGrün auf dem Campus für die Podiumsdiskussion mit dem viel versprechenden Titel „Wohin mit der Uni?“. Entsprechend gefüllt war dann Montag Abend auch der Saal 221 im ESA West. Neben den Diskutierenden selbst war ein bunt gemischtes Publikum gekommen. Darunter interessierte Einwohner aus Eimsbüttel, einige Lokalpolitiker, Mitglieder der AStA-Fraktion, zahlreiche Mitglieder der Liste Harte Zeiten und – als Überraschungsgast – der ehemalige Uni-Präsident Jürgen Lüthje.
Eva Gümbel, wissenschaftspolitische Sprecherin der GAL-Fraktion und Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses der Bürgerschaft, sagte, aus ihrer grünen Sicht halte sie einen Teilumzug der Universität für fatal und einen Gesamtumzug für unrealistisch. Sie gehe davon aus, dass sich für diese Position auch Mehrheiten in der Bürgerschaft finden ließen. Ärgerlich sei auch, dass der gerade eingeweihte Klinik-Neubau auf dem Gelände des UKE vollständig von der Wissenschaftsbehörde bezahlt worden ist, anstatt das Geld in die Sanierung der Uni-Gebäude zu stecken. Sie habe sich daher nur halb über die hochmodernen Klinik-Gebäude freuen können. Ungünstig sei auch, dass nun durch die Verlängerung der Kommissionsarbeit um zwei Monate die Zeit knapp werde, wenn man zur Sanierung der Uni noch Mittel aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung beantragen wolle, sollte die Uni doch nicht umziehen.
Roland Seidlitz, stellvertretender Vorsitzender der GAL-Fraktion im Bezirk Eimsbüttel, betonte die Wichtigkeit der Uni für seinen Bezirk. Mit der Idee des Umzugs sei die Bezirksversammlung sehr plötzlich und unmotiviert konfrontiert worden. Die Studierenden seien für das Grindel-Viertel ein Wirtschaftsfaktor, Eimsbüttel sei abhängig von der Uni. Schon jetzt sei die Kaufkraft der Studierenden durch die Studiengebühren geschwächt, weshalb diese kategorisch abzulehnen seien.
Als Vertreter der Professorenschaft bescheinigte der Wirtschaftsgeograph Jürgen Oßenbrügge seinen Kollegen eine weitgehende Gelassenheit gegenüber den Umzugsplänen. Eine Diskussion habe unter den Professoren seiner Fakultät noch nicht eingesetzt. Dies liege vor allem auch daran, dass man sich über die Jahre an die ständigen Raumdebatten und die regelmäßig auftauchenden neuen Lösungsvorschläge gewöhnt habe und zunächst eher abwarte. Er begrüße aber, dass man sich nun offenbar von der Flickschusterei der vergangenen Jahre abgewandt habe und nun endlich Gesamtplanerisch tätig werde. Er räumte ein, dass Eimsbüttel und die Studierenden, die bei einem evt. Teilumzug zwischen verschiedenen Einrichtungen pendeln müssen, die Verlierer des Umzugs sind. Aus Stadt-planerischer Sicht sei ein Umzug aber dennoch durchaus sinnvoll, da dadurch Impulse für den Sprung über die Elbe gegeben werden könnten.
Martin Burmester, Studierender auf der Liste der CampusGrünen, sagte, dass er einen Umzug der Universität auf den kleinen Grasbrook für wenig realistisch halte. Aus Studierendensicht sei der Standort zu dezentral. Es fehle an der notwendigen Infrastruktur. Hauptprobleme für die Studierenden seien derzeit die Raumknappheit, die teils sehr maroden Universitätsgebäude und die räumliche Zersplitterung einiger Fachbereiche und Fakultäten (etwa der MIN-Fakultät).
Nicht unerwähnt bleiben soll hier eine von Frau Gümbel weitererzählte Anekdote, die Frau Auweter-Kurtz gern gegenüber Politikern der Regierungskoalition zum Besten gibt: Eines Tages habe ein chinesischer Kollege im Präsidium angerufen, und angefragt, warum die chinesischen Austauschstudenten an der Universität Hamburg derart diskriminiert würden. Die chinesischen Studierenden seien mit ihrem Seminar in die erbärmlichsten Seminarräume der Uni abgeschoben worden. Natürlich ging die engagierte Auweter den schockierenden Vorwürfen umgehend nach. Nur um festzustellen, dass es sich bei dem fraglichen Seminarraum um einen normalen Hörsaal handelte, in dem neben den Chinesen natürlich auch viele andere Studierende der Uni täglich belehrt werden. Der Ort des Seminarraums blieb indes ungenannt, da Frau Gümbel die Hörsaalbezeichnung leider vergessen hatte.
Schließlich kam dann auch das Publikum zu Wort, wobei die fortschrittliche Fraktion von Harte Zeiten natürlich nicht zurück stand und gleich vier interessante Wortbeiträge anmeldete. Michael Schaaf überraschte die Anwesenden unter anderem mit der Feststellung, der WiWi-Bunker sei 1968 aus der Notwendigkeit heraus errichtet worden, dass eine möglichst große Zahl an Menschen eine humanistische, antifaschistische Bildung erhalten sollte und man plötzlich viele Räumlichkeiten gebraucht habe. Es sei daher wichtig, den Bunker in der jetzigen Form als Baudenkmal zu erhalten. Es sei richtig, dass es den einen oder anderen dunklen Seminarraum gäbe, dort könnten aber Bibliotheken untergebracht werden. Der Philosophen-Turm sei damals absichtlich in seiner Trapez-förmigen Bauweise erdacht worden, um das Gebäude nicht groß, sondern klein erscheinen zu lassen. Diese antifaschistische Wirkung, die sich gegen die Wirkung der Bauwerke der Nationalsozialisten in Nürnberg abhebe, sei wichtig und erhaltenswert. Überhaupt sei es bedauerlich, dass inkrementelle Verbesserungen wie der Umzug des Informatikums an den Hauptcampus zu Gunsten unrealistischer Großprojekte verworfen würden.
Jochen Rasch warf in seinem engagierten Redebeitrag dem Senat vor, mit dem Umzug der Uni verfolge dieser die technokratischen Interessen der Großindustrie in Hamburg, etwa die von Airbus. Die Uni sei durch ihren Standort im Grindelviertel untrennbar mit den jüdischen Deportierten verbunden, die während der Nazi-Zeit auf der Moorweide zum Abtransport in die Konzentrationslager gesammelt worden sind. In den 1968er Jahren habe sich eine antifaschistische Kultur an der Universität entwickelt, es gäbe viele bedeutende antifaschistische Baudenkmäler und Kunst, zu nennen sei hier exemplarisch eine „antifaschistische Platte“, die von der 68er-Bewegung zum Gedenken an die Widerstands-Gruppe 'Die weiße Rose' aufgestellt worden sei, oder die nach Antifaschisten benannten Hörsäle im ESA.
In Anknüpfung an den Beitrag von Jochen sah sich dann der Kunsthistoriker Hermann Hipp dazu genötigt, dem restlichen Publikum zu verdeutlichen, dass die Uni nicht nur antifaschistische Baudenkmäler beinhalte, sondern durchaus auch kapitalistische, wie etwa das ESA-Gebäude, welches seiner Zeit von einem hanseatischen Kaufmann gestiftet wurde. Es sei wichtig, dieses wunderbare Kulturgut für die Universität zu erhalten. Durch den Umzug drohe der Universität hier ein großer Verlust.
Ex-Präsident Lüthje betonte in seinem Beitrag, der immer wieder als Grund für den Umzug angeführte Sanierungsstau sei ein selbst gemachtes Problem des CDU-Senats. Zunächst seien von den Bundesländern keine Mittel für eine regelmäßige Wartung der Gebäude bereit gestellt worden, da dann für die spätere Sanierung Bundesmittel hätten in Anspruch genommen werden können. Nachdem diese Bundesmittel gestrichen wurden und die Verantwortung für die Sanierung der Gebäude auf die Länder übertragen worden sei, habe man aber immer noch nicht ausreichende Mittel in den Haushalt eingestellt. Man habe sich bei den Berechnungen der Haushaltsmittel an regulären Bürogebäuden orientiert und dabei verkannt, dass die Universitätsgebäude häufig spezielle technische Ausstattungen enthielten und wesentlich stärker beansprucht würden als normale Bürogebäude. Unter dem ehemaligen Wissenschaftssenator Jörg Dräger habe er mehrmals vergeblich versucht, Haushaltsmittel für geplante Sanierungen zu erhalten. Ein Plan zur Sanierung der Universität bestehe seit 2002, sei aber nicht umgesetzt worden. 50 Millionen EUR, die für die Sanierung des Geomatikums vorgesehen waren, seien von Dräger in den Bau der HCU gesteckt worden. Eine Gesamtsanierung sei außerdem nach wie vor drei bis vier Mal günstiger als ein Totalumzug der Uni. Der kleine Grasbrook sei zu klein für die Uni. Während es in Eimsbüttel ausreichend Erweiterungsfächen gäbe, stünden bei einem vollständigen Umzug der Uni auf den kleinen Grasbrook keine weiteren Flächen mehr für eine evt. Erweiterung zur Verfügung. Außerdem sei es ihm unverständlich, dass die kommenden beiden Doppelhaushalte keinen einzigen EUR für eine Uni-Sanierung beinhalteten, obwohl die Wissenschaftssenatorin selbst davon ausgehe, dass ein vollständiger Umzug der Uni etwa 10 bis 15 Jahre in Anspruch nähme. In der Zwischenzeit werde die Universität verrotten, für den von Auweter-Kurtz geplanten Aufstieg in die Spitzengruppe der deutschen Universitäten sehe er unter diesen Voraussetzungen schwarz.
Insgesamt ein netter, kurzweiliger Abend – auch wenn die selbst gestellte Frage, wo die Uni denn nun hin soll, nicht abschließend geklärt werden konnte. Vielleicht ist es doch besser, man belässt sie wo sie ist. (sam)
Anmerkung: Moderiert wurde die Veranstaltung von der ehem. AStA-Vorsitzenden, Goldfischentführerin und derzeitigen umweltpolitischen Sprecherin der GAL-Fraktion Jenny Weggen.
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Mittwoch, 28. Januar 2009
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