Sehr geehrte Mitglieder des Präsidiums der Universität,
liebe Kolleginnen und Kollegen vom Rechenzentrum –
zum Semesterbeginn ist nun zum wiederholten Mal das sogenannte Studieninformationsnetz „STiNE“ zusammengebrochen. Wir sprechen uns aus diesem Anlaß begründet für seine Abschaffung aus:
1. STiNE schränkt das Studium inhaltlich und organisatorisch ein
Die Mangelfinanzierung der Universität und die Einengung des Studiums durch Bachelor und Master in Module und permanenten Prüfungsdruck bewirken, daß Studierende kaum Wahl- und Orientierungsfreiheit bei der Belegung ihrer Lehrveranstaltungen haben. Die soziale Lage der Studierenden (Erwerbsarbeit) sowie spezifische Studieninteressen werden zusätzlich von dem techokratischen Kontrollsystem nicht berücksichtig. Es dient vielmehr der entfremdenden Verfügung über Studierende, die so lernen sollen, sich in ein fremdgesetztes System einzufügen, anstatt die Universität nach eigenen – verallgemeinerbaren – Ansprüchen als mündige Mitglieder zu gestalten. Die schwerwiegenden Probleme der neuen Studiengänge werden so zwangsmäßig an die Studierenden durchgereicht anstatt kooperativ überwunden. Wenn BA/MA-Studiengänge ohne STiNE nicht zu machen sind, spricht das nicht für STiNE, sondern gegen BA/MA.
2. STiNE behindert konstruktive Problemlösung
Wird dennoch durch persönlichen Einsatz von Studierenden und Mitarbeitern der Universität der Versuch gemacht, eine begründete freiere Lehrveranstaltungswahl zu realisieren, ist das mit erheblichem technischen und zeitlichen Aufwand verbunden. Die Begrenzung der Seminarplätze, die automatische Zuweisung und die mangelnde Transparenz des Systems schaffen Unsicherheit und Überforderungen bei Lehrpersonal und Studierenden und frustrieren regelmäßig alle Beteiligten, weil eine menschliche zielgerichtete Verständigung stark behindert wird. Die frühere Lehrveranstaltungsplanung „von Hand“ hat selbst bei großen Überlasten diese Wirkungen in der Regel nicht gehabt.
3. Die engen Fristen sind erdrückend
Die zwanghaft frühzeitige Anmeldung zu Lehrveranstaltungen für BA-Erstsemester schränkt die Orientierungeinheiten unsäglich ein. Hier sollen die Studierenden eine ernsthafte inhaltliche Orientierung über ihr Studienfach und über die zunehmend unüberschaubaren formalen Anforderungen erhalten. Sie sollen ihr Nebenfach kennen lernen, eine grobe Kenntnis des Campus und seiner Einrichtungen erhalten und vor allem ermuntert und ermutigt werden, neugierig, selbstbewußt, solidarisch und kritisch an der Gestaltung von Studium, Lehre und Forschung mitzuwirken. Die frühzeitige Anmeldung und dafür erforderliche Betreuung nimmt unzumutbar viel Raum in den Orientierungeinheiten ein.
4. STiNE verschleißt Menschen
Von den Lehrveranstaltungs-„Managern“ wird eine vollständig inhaltsentleerte technokratische Abwicklung der Lehrveranstaltungsplanung verlangt.
Häufig versuchen die Mitarbeiter diesen negativen Charakter durch hohes Engagement und persönliche Anteilnahme zu kompensieren. Nur deshalb findet STiNE überhaupt irgendeine Toleranz. Darauf wird von Seiten der Universitätsleitung wie selbstverständlich gebaut. Damit wird aber sowohl die Bereitschaft zum Engagement als auch menschliche Arbeitskraft verantwortungslos verschlissen. Zusätzlich wird regelmäßig von den LVMs verlangt, daß sie besonders in der Anmeldephase und bei anderen Ausfällen von STiNE zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung stehen. Das ist weder menschlich noch tarifrechtlich statthaft und auch durch freundliche Worte nicht zu regeln, denn hier wird nicht einmal an einem hilfreichen und deshalb erfreulichen Projekt gearbeitet.
5. STiNE ist nicht krisenfest und teuer
Regelmäßig bei höherer Beanspruchung bricht das System ein. Die Bearbeitungszeiten sind häufig unzumutbar lang. Die Anzeigen auf der „Oberfläche“ sind oftmals schwer nachvollziehbar.
Die Fehlersuche ist dadurch behindert und verlangsamt, daß es sich um ein externes System handelt. Datenlostsen und Microsoft sind nicht kooperativ, weil die „Fehler“ hier gleichzusetzen sind mit „Schuld“ also mit Euros. Die Geschäftsinteressen dieser Unternehmen stehen notwendig im Widerspruch zu einer verantwortlichen Gestaltung von selbstorganisiertem Studium und kritischer Lehre. Die Nutzung universitärer Infrastruktur für die Werbung von Microsoft ist dreistes Marketing und muß sofort beendet werden. Grundsätzlich gilt, daß ein eingekauftes Systems kostspielig und unnötig arbeitsintensiv ist. Die Anbieter sind mit den Erfordernissen der Universität, insbesondere mit den verschiedenartigen Bedürfnissen der Studierenden nicht vertraut.
6. Vernünftige Alternative
Es bestand von Beginn an und es besteht bis heute die Möglichkeit, eine vernünftige, kollegiale und transparente technische Unterstützung der Lehrveranstaltungsplanung unter Leitung des Rechenzentrums, der Abteilung für Studium und Lehre und unter Einbeziehung „dezentralen Sachverstandes“ aus den Fächern und Fakultäten zu entwickeln. Es muß bedarfsorientiert der Hilfe bei der Lehrveranstaltungsplanung dienen, kann sie aber als Aufgabe der (Selbst-)Verwaltung nicht ersetzen. Dafür muß erstens anerkannt und berücksichtigt werden, daß man es mit real-existierenden Menschen zu tun hat, daß reichlich technische, strukturelle und inhaltliche Erfahrung in der Universität vorhanden ist und daß ein solches System „lernfähig“ sein muß.
Sinnvoll wäre es, diese Administration auf erforderliche Kernaufgaben wie die kapazitätengemäße Lehrveranstaltungsorganisation und Prüfungsorganisation zu begrenzen oder aber – wie es im seit 1999 wie es im seit 1999 an der Uni entwickelten Community System „CommSy“ vorbildlich realisiert wurde– ein offenes Forum zu schaffen, das kooperatives Lernen inhaltlich und strukturell unterstützt, aber nicht der Kontrolle der Studierenden dient.
Wir fordern Sie auf, dieses schädliche System sofort aus dem Verkehr zu ziehen. Wir werden uns nachdrücklich für die Abschaffung von STiNE im Fachbereich, in der Fakultät und der gesamten Universität engagieren und andere dazu ermutigen.
Mit freundlichem Gruß,
FSR Geschichte
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